Tarifinfo 9 – Erste Verhandlungsrunde: Schwieriger Start – kein Angebot

In Neuss hat am Dienstag die erste Verhandlungsrunde in der Tarifrunde Telekom stattgefunden. ver.di hat die beschlossenen Forderungen eingebracht und umfangreich begründet. Die Arbeitgeberseite ging darauf nicht ein und legte kein Angebot vor.

Seit Januar haben die ver.di-Mitglieder im Telekom-Konzern die Forderungen zur anstehenden Tarifrunde diskutiert. Nach dieser breiten Diskussion hat die ver.di-Tarifkommission die Forderungen zur Tarifrunde Telekom beschlossen. Am Dienstag, den 19. März fand nun die erste Verhandlungsrunde in der Tarifrunde 2024 statt.

„Wir gehen selbstbewusst in diese Tarifrunde, weil wir wissen, dass die Beschäftigten zu 100 % hinter der Forderung stehen.“ Mit diesen Worten eröffnete Frank Sauerland (ver.di-Verhandlungsführer in der Tarifrunde 2024) die erste Verhandlungsrunde. „Wir wissen um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Herausforderungen, wie z.B. den hohen Investitionsbedarfen, die der Telekom-Konzern hat. Unsere Forderung berücksichtigt diese Rahmenbedingungen bereits.“

ver.di begründet Forderungen

Insgesamt 90 Minuten dauerte der Vortrag von Frank Sauerland und Dierk Hirschel (ver.di-Chefökonom) zur Begründung der Forderung der ver.di-Mitglieder zur Tarifrunde 2024.

Dabei gingen sie umfangreich auf die Beteiligungsprozesse im Vorfeld der Tarifrunde, die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland, der IKT-Branche, des Telekom-Konzerns und die Reallohnsituation der Beschäftigten und Vergütungssituation der Auszubildenden und dual Studierenden ein. (Mehr dazu weiter unten).

Schwieriger Start – Kein Angebot

Auf die vorgetragenen und begründeten ver.di-Forderungen ging die Arbeitgeberseite nicht ein. Der Aufforderung seitens ver.di ein Angebot vorzulegen, ist die Arbeitgeberseite ebenfalls nicht gefolgt. „Damit hat die Arbeitgeberseite wichtige Zeit verspielt, schnell in die inhaltliche Diskussion und damit zu einer schnellen Einigung zu kommen“, sagte ver.di-Verhandlungsführer Frank Sauerland. Sein Vorgehen begründete der Arbeitgeber mit der vorhandenen Unklarheit über die Verhandlungsstrukturen. ver.di fordert gemeinsame Verhandlungen für alle Telekom-Konzerneinheiten. Die Arbeitgeberseite hatte sich im Vorfeld der ersten Verhandlungsrunde dazu nicht mit ver.di verständigt.

Nun äußerte sich die Arbeitgeberseite diesbezüglich erstmals offiziell gegenüber ver.di:

  • Die Arbeitgeber formulierten, dass sie ohne Klarheit über die konkreten Bereiche, über die verhandelt werden soll, keine inhaltliche Position zur ver.di-Entgeltforderung einnehmen könnten.
  • Insbesondere die unmittelbare Verhandlung der Bereiche, deren Entgelttarifverträge erst im Sommer auslaufen (PVG, DT SE), seien problematisch.
  • Eine Einbeziehung der T-Systems (mit gekündigten Entgelttarifverträge zum 31.12.2024) in die jetzigen Verhandlungen schlossen sie aus.

Die Frage der Verhandlungsstrukturen wurde damit zum Kern der ersten Verhandlungsrunde. Es gab am Ende eine erste Annäherung, jedoch ist es nicht gelungen, diese zentrale Frage innerhalb der ersten Verhandlungsrunde final zu klären.

Die Tarifvertragsparteien verständigten sich darauf, weitere Verfahrensgespräche zu führen, um bis zum Beginn der zweiten Verhandlungsrunde eine Klärung herbeizuführen.

Die Verhandlungskommission sortierte dieses Vorgehen der Arbeitgeber ein:

  • Es ist gut, dass nun ein Pfad gefunden wurde, die Frage der Verhandlungsstrukturen möglichst noch vor der zweiten Verhandlungsrunde zu klären.
  • Wir haben keinen Anlass, im Vorfeld dieser Gespräche von der Forderung nach gemeinsamen Verhandlungen abzurücken.
  • Die Tatsache, dass die Arbeitgeber sich zur ersten Verhandlungsrunde auf „formale Fragen“, statt auf den Inhalt der Forderung konzentriert haben, zeigt, dass sich hier eine schwierige Tarifrunde ankündigt.

Gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen

Die Volkswirtschaft Deutschland befindet sich in einer schwachen wirtschaftlichen Entwicklung. Für das Jahr 2024 wird ein „Wirtschaftswachstum“ von -0,3 bis + 1,3 % erwartet. „Die gute Nachricht ist, es liegt in unserer Hand“, gibt Dierk Hirschel einen Ausblick: „Denn das zentrale Thema der Konjunkturentwicklung liegt in der Entwicklung der privaten Kaufkraft. Und diese wird durch eine gute Lohnentwicklung bestimmt. Wir können also in den Tarifverhandlungen mit guten Abschlüssen direkten positiven Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nehmen.“

Reallohnentwicklung der Beschäftigten im Blick

Die historisch starken Preisanstiege in den Jahren 2022 und 2023 waren die höchsten der vergangenen 40 Jahre. Für das Jahr 2024 rechnet die Bundesbank mit einer Abschwächung dieser Entwicklung und einer Inflationsrate von 3,0%. Das Problem dabei: Die Inflation schrumpft zwar, sie ist aber dadurch nicht weg. Denn mit den Steigerungen der vergangenen Jahre hat sich das allgemeine Preisniveau, insbesondere die Preise der für die Beschäftigten relevanten Kernbereiche, wie z.B. für Lebensmittel, Heizung und Kraftstoffe sowie Mieten, enorm erhöht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Inflation Beschäftigte mit geringeren und mittleren Einkommen härter trifft. Diese müssen einen deutlich höheren Anteil ihrer Einkünfte aufwenden, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten zu bestreiten.

Für 2024 kündigen sich zusätzliche Belastungen an: z.B. die (Wieder-)Anhebung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie und bei Erdgas und Heizöl sowie die Erhöhungen der Energiepreise durch z.B. die Anhebung der Netzentgelte sowie zusätzliche Belastungen in den Sozialversicherungsbeiträgen, z.B. durch angehobene Zusatzbeiträge in den Krankenversicherungen.

Die IKT-Branche und der Telekom-Konzern

Die IKT-Brache gehört zu den Branchen mit den stärksten Wachstumspotenzialen in Deutschland. Die Digitalwirtschaft entwickelt sich deutlich stärker (drei bis viermal so stark) als die Gesamtwirtschaft. Das Analysehaus Grand View erwartet sogar ein jährliches Wachstum von über 6 % pro Jahr bis 2030. Gebremst wird dieser positive Ausblick allerdings durch das drängendste Problem der Branche, dem Fachkräftemangel. Deshalb muss dieses Problem angegangen werden. Dabei sind attraktive Beschäftigungsbedingungen und gute Löhne ein entscheidender Baustein. Von der guten Branchenentwicklung profitiert auch die Deutsche Telekom. Die Aktie des Konzerns gehört zwischenzeitlich zu den TOP-Titeln im Deutschen Aktienindex. Die Finanzkennzahlen des Konzerns entwickeln sich überdurchschnittlich gut. Im Jahr 2022 und 2023 wurden sogar die geplanten Konzernziele in jedem einzelnen Quartal seitens des Vorstandes angehoben und am jeweiligen Jahresende übertroffen. Als Ausdruck dieser durchweg positiven Entwicklung wurden bzw. sollen die Dividendenzahlungen für die Aktionäre angehoben und im Jahr 2024 sogar ein Aktienrückkaufprogramm gestartet werden. „Das Geld ist da und wir freuen uns über die gute Entwicklung des Konzerns. Das bedeutet aber auch: Das Geld, um auf die Forderung der Beschäftigten einzugehen, ist da!“, fasste Frank Sauerland die Analyse der Konzernergebnisse zusammen.

Die ver.di-Verhandlungskommission

Die ver.di-Verhandlungskommission setzt sich aus Vertreter*innen der tarifgebundenen Gesellschaften im Telekom-Konzern zusammen. ver.di unterstreicht damit die konzernweite Ausrichtung der aktuellen Tarifrunde.  

Klasse: Beindruckender Start der Tarifrunde in den Betrieben

Begleitet wurde die erste Verhandlungsrunde durch eine Vielzahl von Mittagspausen- und Protestaktionen. Dort unterstrichen die Beschäftigten ihre Erwartung an den Arbeitgeber und stärkten der Verhandlungskommission den Rücken.

Mehr dazu in der gesondert veröffentlichten Tarifinfo und unseren Sozial-Media Kanälen: https://www.instagram.com/verdiikt/

Verhandlungen gehen im April weiter

Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 15. und 16. April 2024 in Siegburg vereinbart.

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